Gefahr des täglichen Lebens?

Eine der unterschätztesten Versicherungsarten in Österreich ist meiner Meinung nach die Haushaltsversicherung. Warum? Weil sie in Österreich klassischerweise nicht nur als Haushaltsversicherung verkauft wird, sondern meistens auch eine private Haftpflichtversicherung umfasst. Bis auf die KfZ-Haftpflichtversicherung, die sowieso jede:r braucht, fehlt es oft am Verständnis dafür, wofür man die brauchen könnte. Bis dann der Ernstfall eintritt und man Schadenersatzansprüchen eines Dritten ausgesetzt ist. Dann ist es natürlich außerordentlich praktisch über eine solche zu verfügen und man kann auf allerlei Ideen kommen, welche Schäden die Haftpflichtversicherung doch nicht für einen übernehmen könnte. Wie immer in Deckungsfragen muss man sich also zunächst fragen: was steht in den Bedingungen?

Bierflasche als Waffe – Verletzung durch Glassplitter

Es kam in einem Wirtshaus zu einer Meinungsverschiedenheit, die in eine Rauferei ausartete. Ein Kontrahent schnappte sich ein Messer, worauf sein Gegner eine Bierflasche zerschlug, um sich damit ebenfalls eine Waffe zu schaffen. Durch das Zerschlagen der Bierflasche fiel der Splitter in das Auge eines unbeteiligten Dritten und verletzte diesen. Der wolle – verständlicherweise – Schadenersatz vom Bierflaschenzerschlager. Da dieser über eine Haftpflichtversicherung verfügt, kam dieser auf die findige Idee, dass diese Kosten doch einfach die Versicherung zahlten könnte.

War das eine Gefahr des täglichen Lebens? Der OGH meinte nein (7 Ob 23/71).

Absichtliches Anzünden einer Hose

Wir befinden uns wieder in einem Wirtshaus zu später Stunde. Alkohol ist in rauen Mengen geflossen und der Versicherungsnehmer fand es sei eine gute Idee, den Hosenboden von Herrn L. anzuzünden. Herr L. schaffte es nicht die Hose auszuziehen bzw das Feuer rechtzeitig zu löschen und erlitt dadurch Verbrennungen 2. und 3. Grades, also ziemlich gravierend Verletzungen. Der Versicherungsnehmer wurde für diese Tat rechtskräftig wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. Das Schmerzengeld an Herrn L wollte er von seiner Haftpflichtversicherung gedeckt wissen.

Auch hier meinte der OGH: nein, das ist keine Gefahr des täglichen Lebens. Auch ein „vernünftiger Durchschnittsmensch“ kann manchmal aus Unvorsichtigkeit außergewöhnliche Gefahrensituationen schaffen, mit denen dann noch eine Gefahr des täglichen Lebens verwirklicht sein kann. Bei „gefährlichen Bosheitsakten“ ist das allerdings nicht der Fall. Und das Anzünden der Hose eines Betrunkenen sei als ein gefährlicher Bosheitsakt zu werten (7ob 28/91).

Privates Motorradrennen

Der Versicherungsnehmer nahm mit seinem Motorrad an einem Motorradrennen auf einer privaten Rennstrecke teil. Das Motorrad war immer ordentlich gewartet. Trotzdem versagten bei diesem Rennen die Bremsen und der Versicherungsnehmer fuhr mit 150 km/h auf einen anderen Teilnehmer auf. Dieser wurde – wenig überraschend – verletzt und sein Motorrad war beschädigt. Die Haftpflichtversicherung verweigerte die Deckung unter anderem mit dem Argument, dass die Teilnahme an Motorradrennen auf Rennstrecken nicht zu den Gefahren des täglichen Lebens zähle.

Was meinten die Gerichte? Die stimmten der Versicherung nicht zu. Der OGH meinte dazu „Das Motorradfahren ist in Österreich beliebt“ sowie dass „für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer Trainingsfahrten mit üblichen Motorrädern auf einer abgeschlossenen Rennstrecke zur Sportausübung zählt“. Die Gefahr des täglichen Lebens war damit gegeben.

Ich persönlich kenne jetzt niemanden, der regelmäßig mit Motorrädern an Rennen teilnimmt. Aber es dürfte in Österreich laut OGH für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer eine übliche sportliche Freizeitbeschäftigung sein (7 Ob 192/16k).

Die „3-Mann-Wasserbombenschleuder“

Drei Freunde fuhren zu einem Festival. Im Vorfeld kauften sie eine „3-Mann-Wasserbombenschleuder“. Wohl um sich die Zeit zwischen den Konzerten und dem übermäßigen Alkoholkonsum zu vertreiben. Also ich hatte keine Ahnung was eine „3-Mann-Wasserbombenschleuder“ ist und musste das googlen. Es handelt sich dabei um eine große Schleuder, die von 2 Menschen an 2 Enden gehalten werden muss, während der 3. die Wasserbombe am 3. Ende platziert, daran zieht und loslässt. Ein Riesenspaß für Groß und Klein. Aber nicht so für die unbeteiligte Person, die bei Verwendung dieser „3-Mann-Wasserbombenschleuder“ verletzt wurde.
Sie wissen jetzt schon was kommt: der Bediener der „3-Mann-Wasserbombenschleuder“ hatte eine Haftpflichtversicherung und wollte für Deckung für die Schäden, die die verletzte Person gegen ihn geltend machte. Für sämtliche Instanzen war es klar, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer auf einem Festivalgelände keine solche Gefahrensituation mit einer „3-Mann-Wasserbombenschleuder“ schaffen würde. Daher wurde keine Gefahr des täglichen Lebens angenommen (7 Ob 13/18i).

Belästigung und Verletzung einer Frau

Besonders dreist fand ich ja dieses Verfahren: Wieder war es zu später Stunde und wieder war wohl ausreichend Alkohol im Spiel. Der Versicherungsnehmer machte einer Frau Avancen, die überhaupt kein Interesse an ihm hatte. Sie sagte ihm das, schubste ihn sogar weg und gab ihm eine Ohrfeige, als er nicht von ihr abließ. Das reichte ihm noch immer nicht und er bedrängte sie weiter. Sie wollte Weggehen, was er verhinderte und als sie sich dagegen zu Wehr setzte, verletzte er sie. Tja, und für diesen Schaden, den sie dann gegen ihn geltend machte, wollte er Deckung aus seiner Haftpflichtversicherung. Also mir fehlen da wirklich die Worte.

Sämtliche Instanzen meinten die Versicherung verneine die Deckung zu Recht, da dieses Verhalten keine Gefahr des täglichen Lebens sei. „Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer würde die eindeutige Ablehnung einer Frau akzeptieren“. Das kann man ja nur hoffen (7 Ob 182/15p).

Schubsen in den Schneehaufen

Kollegen waren im Rahmen eines Betriebsausflugs zusammen unterwegs. Einer der beiden stieg auf das Geländer der Terrasse des Berggasthofs. Unter der Terrasse lag Schnee. Der Versicherungsnehmer schubste seinen Kollegen und dieser fiel von der Terrasse und so unglücklich, dass er sich schwer verletzte.

Die Haftpflichtversicherung des Schubsers lehnte die Deckung ab, da sie keine Gefahr des täglichen Lebens verwirklicht sah. Dies sahen die Gerichte anders. Nachdem der Versicherungsnehmer den Kollegen weder verletzen noch erschrecken wollte und ihm eine Verletzung durch diesen Schubs nicht naheliegend erschien. Es war also kein „gefährlicher Bosheitsakt“ sondern ein „Ausrutscher“ eines Durchschnittsmenschen. Die Gefahr des täglichen Lebens und damit die Deckung, wurde daher bejaht (7 Ob 119/04g).

Absichtliches Anzünden einer Benzinlacke

Ein junger Mann konsumierte einiges an Alkohol und fuhr mit seinem Moped zu einem Waffengeschäft. Er bemerkte vor dem Geschäft Benzingemisch und dämpfte in dieser Lacke seine Zigarette aus. Nachdem das nicht den gewünschten Effekt hatte, kniete er nieder und versuchte mit seinem Feuerzeug mehrmals die Benzinlacke anzuzünden. Das führt dazu, dass ein PKW, die Fassade und Teile des Waffengeschäfts Feuer fingen.

Auch hier war der junge Mann der Meinung, dass dies doch ein Fall für die Haftpflichtversicherung sei. Es habe sich um eine bloße Fehleinschätzung einer gefährlichen Situation gehandelt. Wenig überraschend sahen das die Gerichte nicht so. Die Gefahr des täglichen Lebens wurde verneint (7 Ob 283/04z)

Dies war eine Auswahl an Entscheidungen. Es gibt natürlich noch viele mehr. Man kann sich allerdings merken: kleine Scherze, bei denen die beteiligten Personen verletzt werden, können noch als Gefahr des täglichen Lebens gelten. Besondere Gemeinheiten und Dummheiten allerdings nicht. Macht irgendwie Sinn.